Menschen

MenschenDie erste Person, die uns auf eine Spur zu den Menschen, die in unserem Grätzel gewohnt haben, bringt ist die Buchautorin Inge Rowhani-Ennemoser. In ihrem Buch „Nachricht vom Verlust der Welt“ hat die Tochter der letzten Hausbesorgerin der Herklotzgasse 21 die Spuren ihrer Familie nachgezeichnet, die im 15. Bezirk ihren Ausgangspunkt nehmen. Sie nennt uns einen Namen: Moshe Hans Jahoda. Er hat Inge Rowhani-Ennemoser kontaktiert auf der Suche nach einem Buch über eine koschere Wurstfabrik in der Herklotzgasse und sie nach einem Kindergarten gefragt… dazu konnte sie ihm nichts sagen. Moshe Hans Jahoda ist Leiter der Claims Conference in Wien. Ein paar Tage später treffen wir ihn zu einem ersten Interview. Moshe Hans Jahoda spricht vom „Dreieck seiner Kindheit“ – der Herklotzgasse 21, dem Turnertempel und der Storchenschul im 15. Bezirk, von den Orten und Erinnerungen seiner Kindheit. Damit wird schnell klar, dass nicht nur die Geschichte des Hauses in der Herklotzgasse 21 eine interessante, spannende und wichtige für das ganze Viertel ist, sondern dass das Viertel selbst Knotenpunkt von regem jüdischen und nicht-jüdischen Leben war und in Vergessenheit geraten ist.

Eine Woche später läutet es am Abend an der Bürotür. Ein Mitarbeiter eines anderen Projekts öffnet Miriam und Zwi Preminger aus Connecticut die Türe. Sie seien auf der Durchreise nach Haifa – Zwi wolle seiner Frau den Ort seiner letzten Wohnung in Wien vor Flucht und Emigration nach Palästina zeigen – die Herklotzgasse 21. Wir treffen die beiden zu einem Abendessen. Erstaunen. Verwunderung. So ein Zufall. Ein Zufall? Aus Amerika schickt uns das Ehepaar Preminger die ersten Kindergartenfotos, die wir zu Gesicht bekommen. Und ein Foto seiner Schwester, auf einem Roller stehend, lächeln im Hof der Herklotzgasse 21. Die Cousine von Zwi Preminger, Alisa Waksenbaum, ist auch in den Kindergarten gegangen und lebt jetzt in Israel.

Roller KindergartenUnd plötzlich beginnen sich Kreise zu formen rund um Namen, Erinnerungen, Freundschaften, die die Zeit überdauert haben oder andere Zufälle. Wie Chava Blodek-Kopelman, die im Jahr 2000 beschließt, in der Botschaft in Tel Aviv ein Kindergartenfoto aufzuhängen mit der Frage: Wer erkennt sich selbst oder jemand anders auf diesem Foto aus Wien XV? Erika Goldschmied und Dita Segal melden sich. Die drei Frauen telefonieren und treffen sich und erinnern sich an „all die Dinge, an die wir uns nicht mehr erinnern konnten“. Von Moshe Hans Jahoda kommen zwei neue Kontakte: Israel Hadar und Ela Kaufmann. Chava Kopelman kennt außerdem noch Eddy Zuckerkandl und Chava und Leo Feier. Über eine Aussendung des Jewish Welcome Service melden sich Kitty Merkel und Paul Zwicker, Catriel und Hilde Fuchs und Zwi Newed bei uns. Wir telefonieren, wir mailen. Haia Itzhaki, die Tochter des letzten Rabbiners der Storchenschul, wird uns vermittelt über Lisl Ben-Hindler von den Steinen der Erinnerung, Haia Itzhaki kennt Anny Götzler und Schula Kühn.

Wir fragen, wir können gar nicht genug erfahren… all diese Leute leben jetzt in Israel oder zum Teil in Israel und sehr schnell wird klar, dass wir gerne die Lebensgeschichten all dieser Leute aus dem Kindergarten und dem Grätzel erfahren wollen. Eine Reise wird geplant. Eine Reise nach Israel. Eine Reise in Erinnerungen, in die Vergangenheit und in die Gegenwart des Lebens dieser Menschen, deren Namen wir kennen. Vielleicht auch in all die Fragen rund um die Zukunft dieses Landes Israel aber auch die Zukunft des Gedächtnisses in Österreich.

zum Reisebericht Israel Herbst 2007