Mai 2008

12. Mai 2008 bis 19. Mai 2008

Zu unserer zweiten Israel-Reise im Mai 2008 entschlossen wir uns kurzfristig. Ursprüngliches Motiv war, zu den 60-Jahr-Feiern des Staates im Land zu sein. Doch als sich herausstellte, dass die wichtigsten Feierlichkeiten nach dem jüdischen Mondkalender und nicht nach dem international „üblichen“ gregorianischen Kalender ausgerichtet sind und daher bereits eine Woche vor dem 15. Mai stattfanden (in dieser Woche konnten wir jedoch nicht reisen), entschlossen wir uns nichtsdestotrotz zur Reise. Wir sind: Ursula Henzl, Michael Kofler und Georg Traska – Judith Pühringer konnte in dieser Woche leider nicht mitkommen. Wir begaben uns auf die Suche nach einem Ereignis, das nach verschiedenen Zeitrechnungen gefeiert wird. Nicht nur einmal hörten wir die Frage: „Warum interessiert ihr euch für den 14. und 15. Mai?“ Fragt man allerdings PalästinenserInnen, sind die Antworten rund um Al Nakba sehr eindeutig. Außerdem hatten wir einige Begegnungen und Gespräche nachzuholen, für die auf der Reise im Herbst 2007 keine Zeit geblieben war. Unsere Filmarbeit öffneten wir nun entschieden in Richtung der Frage, welchen Beitrag die aus Österreich Vertriebenen, die wir bislang vor allem nach Ihrem Leben in Wien gefragt hatten, zum Werden eines jüdischen Staates leisteten: in den Wirren der britischen Mandatsregierung über Palästina und in dem neuen Staat, an dessen Gründung sich einerseits große gesellschaftliche Ideale und andererseits eine unmittelbare Kriegserwartung knüpften.

das Sujet zu den Jubiläumsfeierlichkeiten
das Sujet zu den Jubiläumsfeierlichkeiten

Um 1.30 Uhr nachts kamen wir mit dem Taxi in Tel Aviv an, und Zimmer 9 unseres „alten“ Quartiers in der Hayarkon Straße sollten wir unverschlossen vorfinden. Taten wir aber nicht. Zum Glück kamen wir im „Dormitory“ der gegenüberliegenden Jugendherberge unter.

Vormittags besuchten wir den Klub der Alt-ÖsterreicherInnen in Tel Aviv: zu einer Lesung „60 Jahre Israel in den Augen von Shraga Hagil“. Die Essays über den Alltag der Yekkes-Gemeinde von Tel Aviv (so wurden die deutschen EinwanderInnen zuerst wenig schmeichelhaft gerufen, um schließlich sich selbst so zu bezeichnen) verströmten in dem Klub und dem nur aus alten Menschen bestehenden Publikum eine Atmosphäre der Melancholie. Die deutschsprachige Welt in Israel – das war hier zu spüren – wird mit der Generation der Menschen in diesem Raum zu Ende gehen. Beim Mittagessen hatten wir erstmals Gelegenheit, uns mit dem Leiter des Klubs Yacov Stiassny, der uns bisher in allem hilfsbereit unterstützte, ein wenig länger zu unterhalten. So begann von neuem jene Serie von Erzählung erschütterter Biographien, auf die man in diesem Land, wenn man nur fragt und zuhört, auf Schritt und Tritt stösst. Yacov Stiassny wurde 1946 in Österreich geboren. Seine Eltern lernten sich noch im KZ kennen und zeugten ihn gleich nach ihrer Befreiung – in einem körperlich und psychisch schwer belasteten Zustand. Erst nach dem Tod des Vaters, als junger Erwachsener, erfuhr Yacov vom Ausmaß der Leiden, die seine Eltern durchgemacht hatten. Davon entsetzt sowie enttäuscht vom völligen Mangel an Schuldeingeständnis Österreichs entschloss er sich zur Emigration nach Israel. Nachmittags trafen wir Arad Benkö, den Leiter des Kulturforums der Österreichischen Botschaft, um mit ihm über Möglichkeiten, die im Herbst in Wien stattfindende Ausstellung nach Israel zu bringen, sowie über die Darstellung unseres Projekts in den Israelischen Medien zu sprechen. Denn von israelischer Seite hatten wir erfahren, dass hier von den gegenwärtigen Anstrengungen österreichischer Erinnerungsarbeit gar nichts bekannt ist.

Tel Aviv, die Stadt die niemals schläft
Tel Aviv, die Stadt die niemals schläft

In ähnlicher Sache trafen wir abends Roy Jahoda (den Enkel Moshe Hans Jahodas), der einen kleinen, auf das Gedächtnis des Holocaust spezialisierten Verlag leitet, sowie Rami Zins, den Graphiker des Verlags. Das Gespräch war ungemein angeregt und aufschlussreich. Aufgrund unseres Projekts hatten wir bislang intensiven Kontakt vor allem mit „Alt-ÖsterreicherInnen“, mit denen wir dasselbe Idiom und den damit verbunden kulturellen Hintergrund teilen. Die Enkel, die wir nun trafen, sind junge Israelis, die kein Deutsch mehr sprechen und für die Wien eine – vielleicht sogar sehr ansprechende – fremde Stadt ist. Die Geschichte, mit der sich unser Projekt beschäftigt, ist für sie jedoch genauso aktuell und virulent wie für uns. Wir waren überrascht davon, mit welcher Freimütigkeit die zwei Freunde auch Bezüge zwischen der für Juden so katastrophalen europäischen Geschichte und den gegenwärtigen Konflikten im Nahen Osten herstellen. Unsere so unterschiedlichen Perspektiven ergänzten sich im Gespräch produktiv und mit großem gegenseitigem Interesse. Den Tag verbrachten wir zur Gänze mit Gideon Eckhaus, dem Leiter des Zentralkomitees der Juden aus Österreich in Israel sowie des Klubs der Pensionisten aus Österreich. Wir besuchten mit ihm den Jizchak-Rabin-Platz als bedeutenden politischen Schauplatz des Staates (benannt nach dem 1995 von einem religiös fanatischen Juden ermordeten Premierminister, der viel für den Friedensprozess mit den Palästinensern getan hatte). Im bescheidenen Büro der Organisation sprachen er und die Sozialarbeiterin Ruth Ezrachi über die tägliche Arbeit für die Holocaust-Überlebenden aus Österreich.

Hinweis im Stiegenhaus
Hinweis im Stiegenhaus

Gideon Eckhaus begegnete uns mit Großzügigkeit und einem liebevollen Optimismus für ein junges Österreich, der es ihm auch gestattet, seine biographischen und kulturellen Wurzeln in Österreich lebendig zu erhalten. Diesem Optimismus steht ein immer noch heftiger Groll auf das Land gegenüber, das seine Familie ermordete, seine Kindheit und Jugend mit einem Schlag zerstörte und sich lange Zeit vor der Verantwortung gedrückt hat. Nichtsdestotrotz spricht er von der „Wahrheit der Versöhnung“. Wir trafen einen Mann von großer geistiger Energie, der auch die inneren Widersprüche und Spannungen, die dem Staat Israel, seiner Gesellschaft und Kultur innewohnen, mit der Kraft seiner Persönlichkeit auszustehen trachtet.

Gideon Eckhaus
Gideon Eckhaus

Abends gingen wir mit Ella Kaufmann, einer unserer Interview-Partnerinnen der ersten Reise, im Alten Jaffa essen. Wir unterhielten uns ganz entspannt über das Leben in Israel, und wenn Ella so beim Abendessen über ihr Leben sprach, dann kam sie einmal ganz ohne Bezug auf Vertreibung und Ermordung der österreichischen JüdInnen oder auf die existentiellen Nöte und die historische Einzigartigkeit Israels aus. Israel darf auch ein Land wie viele andere sein – das ist von israelischer Seite vielleicht die beste Friedensversprechung. Vormittags besuchten wir Ernst Wald in seiner Wohnung – und er begrüßte uns mit einem Glas Wein, mit dem wir auf 60 Jahre Israel anstießen. Damit schloss vorläufig die Serie von Interviews mit aus Wien Rudolfsheim-Fünfhaus vertriebenen Israelis. Nördlich der Westbahn aufgewachsen, hat Ernst Wald kaum Erinnerung an das Viertel rund um Turnertempel, Storchenschul und Herklotzgasse 21. Als Kind und Jugendlicher war er politisch-ideologisch ganz von der Sozialdemokratie geprägt. Eine intensivere jüdische Sozialisation erfuhr er erst durch die zionistische Jugendbewegung, und zwar den rechtszionistischen Betar, der ihm auch die Flucht nach Israel ermöglicht. Da Ernst Wald auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, wählt er bis heute in Österreich sozialistisch, in Israel hingegen den Likut-Block. Er sprach seine politischen Überzeugungen über den Vorzug einer militärisch-politischen Kontrolle des Landes einschließlich der palästinensischen Autonomiegebiete mit einer Klarheit und Eindeutigkeit aus, die uns auch diese „rechte“ Position zu verstehen half.

Ernst Wald
Ernst Wald

Wir bedauerten es sehr, dass wir für diese Begegnung so wenig Zeit hatten. Wir hatten mit allen unseren GesprächspartnerInnen die Erfahrung gemacht, dass das Interview ein Klima hoher geistiger Konzentration und ungewöhnlicher Intimität schafft. Daher ist es aber umso notwendiger, über die eigentliche Interview-Situation hinaus da zu bleiben, das Gespräch weiterzuführen und ins Alltägliche zurückfinden zu lassen. Dieses Mal gelang uns das aufgrund unseres Terminkalenders nicht und wir hatten das ungute Gefühl, dass wir uns viel zu schnell verabschieden mussten. Zu Mittag trafen wir Devorah Haberfeld und Joram Manievic in dem schönen alten Haus, in dem die Vereinigung der Israelis mitteleuropäischer Herkunft seit ihrer Gründung 1932 eingerichtet ist. Frau Haberfeld bat uns um die Interpretation einiger Dokumente, die sie von der Anlaufstelle der Israelitischen Kultusgemeinde Wien bzw. dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes erhalten hatte und die das Wissen um das tragische Ende ihrer Familie in den NS-Lagern wesentlich erweiterten. Unsere GesprächspartnerInnen erzählten uns über die Geschichte der Vereinigung im Kontext der „yekkischen“ und österreichischen Kultur Israels. Wir stellten ihnen unser Projekt und unsere Motive dar und erhielten abermals wertvolle Vorschläge für die mögliche Transferierung unserer Ausstellung nach Israel gemeinsam mit einem Israelischen Veranstalter. Danach brachen wir nach Jerusalem auf, um am Nachmittag an einer Gedenkfeier zum 60-jährigen Jubiläum Israels am Herzl-Berg teilzunehmen – sozusagen beim berühmtesten jüdischen „Alt-Österreicher“, dessen Gebeine vom Döblinger Friedhof 1949 nach Israel überführt wurden. Entgegen dem offiziellen Festkalender, den wir konsultiert hatten (in englischer Sprache), fanden wir am Herzl-Berg verschlossene Eisentore vor – vermutlich wegen des kurzfristig geplanten Besuchs George Bushs in Jerusalem.

Das Herzl-Grab am Tag der Staatsgründung (nach gregorianischem Kalender)
Das Herzl-Grab am Tag der Staatsgründung (nach gregorianischem Kalender)

Wir verfingen uns in den zahlreichen Straßensperren und in absurden kleinen Dialogen mit freundlichen, aber wenig informierten Polizisten … Schließlich gelangten wir doch in die Altstadt. Am Damaskus-Tor schimpfte ein christlicher Araber, der dort sein lukratives Lokal führt, über die Jerusalemer Muslime, die am großen Trauertag der „Nakba“ (der „Katastrophe“ der Staatsgründung Israels) ihre Geschäfte öffneten, während er sein Lokal den ganzen Tag gesperrt halte: „Long live Israel“, das den arabischen Christen mehr Sicherheit gewähre als es eine palästinensische Regierung das täte. 20 Minuten später servierte er polnischen TouristInnen Bier und Wodka Orange im „romantischen Kerzenlicht“, das den Inhalt der Getränke vor den Augen seiner muslimischen NachbarInnen möglichst schwach beleuchten sollte. Daneben saßen junge Israelische Soldaten ohne rechten Auftrag herum, und allerlei Vehikeln rumpelten, wie an allen übrigen Abenden, über die von Autos unbefahrbaren Stufen und Rampen der steinernen Stadt.

An George Bush gab es kein Vorbeikommen
An George Bush gab es kein Vorbeikommen

Als wir nächsten Morgen einige Bilder der belebten Tel Aviver Straßen filmen wollten, machten wir an einer Straßenecke die Bekanntschaft mit Shmuel Lesched, einem 97-jährigen Musik-Clown aus Haifa, geboren in Polen und bis zu diesem Tag ein Weltreisender. Er erzählte uns in bestem Deutsch – zahnlos und mit klugen, lustigen Augen – von seinem, einer modernen Legende gleichenden Leben: von der Verfolgung in Europa, von den unzähligen Krankheiten, die ihn in Israel heimsuchten, und von seiner erstaunlichen Lebenskunst. Vom Akkordeon und allerlei „Schlagzeug“ begleitet, sang er uns deutsche Volkslieder vor („Sah ein Knab’ ein Röslein stehen“ und dergl.), jodelte und schlug Pirouetten, die ihn jedes Mal fast aus der Bahn warfen – und rundum sammelte sich staunendes Israelisches Publikum und ließ viele kleine Münzen springen.

Shmuel Lesched der Musikclown
Shmuel Lesched der Musikclown

Danach besuchten wir Stella Finkelstein, die es im gepflegten bürgerlichen Ambiente ihrer Wohnung mit dem Witz Shmuels aufnehmen kann. Nach einer Weile nahmen wir sie unter die Arme zu dem traurigen Besuch in die Wohnung von Anny Götzler. Wir hatten die beiden Freundinnen im Herbst gemeinsam interviewt, und wollten Anny im Spital besuchen, nachdem wir von ihrer Krankheit erfahren hatten. Doch war sie, als wir ankamen, für einen Besuch schon zu schwach, und starb am 14. Mai im Alter von 84 Jahren. Wir waren uns dessen prinzipiell bewusst, dass für unsere Arbeit mit ZeitzeugInnen nicht mehr viel Zeit bleibt. Nun bewegte es uns sehr, wie wir durch diese Arbeit mit so viel Vertrauen in den Kreis der trauernden Familie eingeladen wurden, und waren froh, gerade in dieser Woche in Israel zu sein.

Georg Traska, Stella Finkelstein und Ursula Henzl
Georg Traska, Stella Finkelstein und Ursula Henzl

Die übrige Zeit unserer Reise verbrachten wir im Norden des Landes – in Haifa und am See Genezareth. Unsere inzwischen vertrauten Freunde Chava Kopelman und Israel Hadar, mit denen wir seit Beginn des Projekts in ständigem Austausch stehen und die das Programm der Tage für uns vorbereitet hatten, trafen wir nachmittags in Israels schönem Haus am Stadtrand. Am Tor eines militärischen Sperrgebiets erzählten uns die beiden von ihrer gemeinsamen Zeit beim englischen Militär, in dem sie gegen die Nazis in Europa kämpften – ohne damals ein Wort über die gemeinsame Herkunft in Wien zu verlieren. Erst viel später erfuhren sie, dass sie denselben Kindergarten in der Herklotzgasse 21 besucht hatten.

Haifa – vom deutschen Viertel Blick zum Baha’i-Tempel
Haifa – vom deutschen Viertel Blick zum Baha’i-Tempel

 

Israel Hadar und Chava Kopelman
Israel Hadar und Chava Kopelman

Israel lud uns zum Abendessen in ein ausgezeichnetes arabisches Restaurant im (ehemaligen) arabischen Viertel der Stadt ein. Im Unabhängigkeitskrieg 1948 waren die meisten arabischen BewohnerInnen den Aufrufen der arabischen Milizen und Nachbarländer gefolgt, die Stadt zu verlassen und nach dem Sieg über die Juden zurückzukehren. Hatte damals die jüdische Stadtregierung die arabischen BewohnerInnen unbedingt zum Bleiben aufgefordert, konnten nach dem Krieg nur wenige in ihre Häuser zurückkehren. Am Samstag fuhren wir mit Chava Kopelman nach Tiberias, um Dita Segal – für Chava eine erst jüngst wieder gefundene Kindergarten-Kollegin – zu besuchen. Dita hatte für uns einen Weg rund um den See Genezareth geplant. Wir folgten den Wirkstätten Jesu von Nazareth (Tabga, Kapernaum) und sahen das 2000 Jahre altes Fischerboot von Ginosar, das als Projektionsfläche für verschiedene Geschichten fungiert (Jesu Boot, Boot jüdischer Freiheitskämpfer gegen die Römer oder doch einfach ein Fischerboot?). Die offene und tolerante Spiritualität Ditas brachte uns – ganz ohne Aufsehen – auf einen gemeinsamen interreligiösen Ausflug, der mit „koscherem St.-Peters-Fisch“ (der auf Hebräisch allerdings keinen so christlichen Namen trägt) im von Deutschen und Österreichern gegründeten Kibbuz Ein Gev am Fuß der Golanhöhen endete.

Das Fischerboot von Ginosar bei der Bergung - eingeschäumt
Das Fischerboot von Ginosar bei der Bergung – eingeschäumt
Kapernaum, Synagoge aus dem 4. Jahrhundert, in deren Vorgängerbau Jesus von Nazareth lehrte
Kapernaum, Synagoge aus dem 4. Jahrhundert, in deren Vorgängerbau Jesus von Nazareth lehrte
Blick von Kapernaum über den See auf den Golan
Blick von Kapernaum über den See auf den Golan
im Kibbuz Ein Gev: Chava Kopelman und Dita Segal, wieder gefundene Freundinnen aus der Wiener Kindheit
im Kibbuz Ein Gev: Chava Kopelman und Dita Segal, wieder gefundene Freundinnen aus der Wiener Kindheit
… und Ursula Henzl mit dem St. Peters-Fisch
… und Ursula Henzl mit dem St. Peters-Fisch
Ursula Henzl, Michael Kofler und Chava Kopelman am See Genezareth
Ursula Henzl, Michael Kofler und Chava Kopelman am See Genezareth

Zurück in Haifa fielen wir abends in ein Lokal, das aus kaum mehr als einem laubengedeckten Holzplateau besteht und das eine wunderbare Familie von sehr begabten, aber „ein wenig gestrandeten“ Existenzen vereint – die uns zu einem ungemein witzigen und charmanten Abend in ihre Mitte nahmen. Sonntags trafen wir Chava und Israel wieder: vor dem Karmeliter-Stammkloster am Karmel, errichtet über der „Grotte des Elias“, den die Karmeliter als Präfiguration Christi, mythischen Ordensgründer und -patron verehren. Mit Chava und Israel wohnten wir dem Ende einer Messe bei, die vor allem von Philippinos besucht wurde, deren Gemeinschaft in Israel als Pfleger von kranken und alten Menschen zahlreich wurde. Einmal mehr auf dieser Reise schuf es eine besondere Vertrautheit des Herzens, dass unsere jüdischen Freunde uns aus eigener Initiative in christliche Räume führten und begleiteten. Dann brachte uns Israel ins „Museum der illegalen Immigration und Israelischen Navy“, wo er uns aus seinem exzellenten Gedächtnis und im Plauderton die Verschränkungen militärischer Geschichte und persönlicher Erinnerung darstellte.

Karmeliter-Konvent auf dem Karmel in Haifa
Karmeliter-Konvent auf dem Karmel in Haifa
Grotte des Elias
Grotte des Elias

Während wir Catriel und Hilde Fuchs zum Mittagessen in einer Mall trafen und uns bestens unterhielten, wurde in der Tiefgarage unser Auto aufgebrochen und um wesentliche Teile unserer Kamera-Ausrüstung erleichtert. Nach der Verlustanzeige bei der städtischen Polizei versuchten wir der miesen Stimmung zu trotzen und gemeinsam mit Catriel doch noch ein Stück Filmarbeit zu machen. Wir brauchten nicht viel dazu zu tun: Catriel führte uns in den stillen Friedhof der deutsch-protestantischen Templer, die sich hier im 19. Jahrhundert angesiedelt hatten und während sowie nach dem 2. Weltkrieg zur Emigration nach Australien gezwungen wurden. An diesem ihm lieben Ort der Kontemplation erzählte uns Catriel ein langes Kapitel seiner Sicht Israelischer Geschichte und seiner Lebensgeschichte als junger Israeli.

Catriel Fuchs im Templer-Friedhof von Haifa
Catriel Fuchs im Templer-Friedhof von Haifa

Die wenigen verbleibenden Nachtstunden vor unserem Rückflug verbrachten wir in unserer Stamm-Strandbar, die uns zum Inbegriff des Tel Aviver Lebensgefühls einer jüngeren Generation, die sich nach einem „normalen“ modernen Leben jenseits von Gründungsheroismus und Krieg sehnt, wurde. Auf dem Stadtstrand sieht man rund um die Uhr Menschen joggen, musizieren, bei Yoga- und Tai-Chi-Übungen. Die Raketenfeuer auf Sderot, die Reden eines iranischen Fanatikers, reale Mauern und Mauern in den Köpfen scheinen weit weg zu sein.