Herklotzgasse

herklotzgasseDas Haus Herklotzgasse 21 wurde 1869 als Volksschulgebäude errichtet, mit einer Turnhalle im Hof. Als die Volksschule auszog, wurde es 1906 von der „bekannten Philanthropin“ Regine Landeis gekauft und verschiedenen, vorwiegend Fürsorge-Vereinen zu Verfügung gestellt.

  • 1906 Knabenhort mit 49, ein Mädchenhort mit 65 Schulkindern
  • 1906–39 Verein zur Ausspeisung armer jüdischer Kinder für die Bezirke XII–XV, der nach dem Tod von Regine Landeis (1916) Eigentümer des Hauses wurde
  • 1907–38 Turnverein Makkabi XV
  • 1909 Heimstätte für jüdische Kinder
  • 1916–17 Erweiterung der Heimstätte als Kriegswaisenhaus (1922 Übersiedlung in ein eigens dafür errichtetes Gebäude in Wien XV, Goldschlagstraße 84)
  • 1920–38 zionistische Bezirkssektion XII-XV
  • 1927–38 jüdischer Kindergarten
  • 1927 Adaptierungsarbeiten zur Schaffung von Unterkunftsräumen für Obdachlose

Der Festsaal des Hauses (wo heute eine Bürogemeinschaft arbeitet) wurde von allen Vereinen benützt. Auch trafen sich hier regelmäßig Mitglieder des Bundes Jüdischer Frontkämpfer, aber auch Jugendliche in einem informellen Klub zu Unterhaltung und Tanz. Die großen Räume des Hauses wurden an hohen jüdischen Feiertagen für Gottesdienste verwendet (bis zu 398 Personen nach baupolizeilicher Widmung). Während im Gemeindehaus des Turnertempels und in der Storchenschul die religiös fundierten Vereine älterer Prägung versammelt waren, war das privat gestiftete Gemeindehaus der Herklotzgasse 21 zionistisch geprägt (zionistische Bezirkssektion, Makkabi, jüdischer Kindergarten) und seine Fürsorgevereine reagierten kurzfristig auf die Nöte der Zeit. Einige Vereine arbeiteten auch nach dem Novemberpogrom von 1938 weiter (Ausspeisung und Turnverein), und sowohl legale wie auch illegale Auswanderungen wurden von hier aus organisiert. Zugleich wurde das Haus zu einem Zufluchtsort und Nachtquartier für aus ihren Wohnungen Vertriebene. Mehrfach durchsuchten es SS-, SA- und andere nationalsozialistische Gruppen, mit der Folge von Deportationen und Beschlagnahmungen. Im Februar 1939 wurde das Haus von Edmund Zezulka auf dem Weg der „Arisierung“ gekauft. Im März 1952 wurde das Haus an die Israelitische Kultusgemeinde (als Rechtsnachfolgerin des Ausspeisungsvereins) rückerstattet. Um 1980 wurden in einem Erdgeschoßraum Akten aus dem Archiv der IKG eingelagert. Diese erwiesen sich bei Ihrer Wiederentdeckung im Jahr 2000 als Kernbestand des Archivs der IKG Wien, das nun zu den bedeutendsten und besterhaltenen Archiven der großen jüdischen Gemeinden Europas zählt. In den späten 1990er Jahren verkaufte die IKG das Haus an den Patentanwalt Thomas Haffner, der es renovieren, die Turnhalle in einen Veranstaltungsraum umbauen ließ und eine MieterInnengemeinschaft von KünstlerInnen und sozialen Organisationen darin unterbrachte.